Wie ernst ist es Obama mit den Abzugsplänen für Afghanistan?
"Sie sind nur für ihre eigenen Zwecke da, für ihre eigenen Ziele und sie nutzen unseren Boden dafür." Hamid Karzai war in seinen öffentlichen Aussagen der letzten Zeit nicht besonders gut auf die Amerikaner zu sprechen. Er sprach von Besatzern, Umweltverschmutzung, von Bomben, die Müll hinterlassen. Kein Wunder also, wenn amerikanische Beobachter die "völlige Abwesenheit" eines politischen Partners in der afghanischen Regierung, neben dem Fehlen einer politischen Strategie als "ziemlich zwingenden Grund" für den Abzug eines Großteils der Truppen notieren.
Heute abend amerikanischer Zeit will US-Präsident seine Abzugspläne bekanntgeben. Im Vorfeld wird vor allem darüber spekuliert, gestützt auf Quellen aus der amerikanischen Regierung, dass Obama schon in diesem Jahr, beginnend im Juli, 10.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen will und im nächsten Jahr 33.000. Ein Signal soll das sein, dass die USA den längsten Krieg ihrer Geschichte beenden wollen. Peu à peu allerdings, denn zunächst sollen keine Soldaten der Kampftruppen abgezogen werden, sondern nur unterstützende Einheiten.
Darüberhinaus, und das ist auch ein relevanter Hintergrund zu den kritischen Äußerungen Karsais, stehen die USA mit der afghanischen Regierung in Verhandlungen über einen weiteren Verbleib von US-Streitkräften über die Zeiträume hinaus, die in den Exit-Plänen, wie sie in den Medien öfter genannt werden, genannt werden. Bei dem Truppenabzug, von dem aktuell die Rede ist, handelt es sich mehr oder weniger um die Rückführung des "Surge", den Obama 2009 initiierte (Mehr Marines).
Unter Obama hat sich die Anzahl der amerikanischen Soldaten in Afghanistan auf über 100.000 erhöht, mehr als zu Bushs Zeiten. Wie viele Soldaten und mit welchen Aufgaben und Kompetenzen über 2014 hinaus in Afghanistan bleiben, wie die langfristige Strategie aussieht, ist eine Frage, die viele Afghanistankriegskritiker beschäftigt. Diese wird Obama heute abend nicht mit konkreten Erklärungen beantworten.
Die Unterstützung des Afghanistaneinsatzes in der amerikanischen Bevölkerung ist sehr dünn geworden. Über 56 Prozent sind dafür, dass die Soldaten so schnell wie möglich nachhause geholt werden. Und: Mehr und mehr Republikaner äußern sich ebenfalls in diesem Sinne. Die poltische Botschaft ist unübersehbar.
Die hohen Kriegskosten stehen einem Schuldenberg in den USA gegenüber, großen Problemen, wie an vorderer Stelle die Arbeitslosigkeit. Seit der good news vom Tod Osama Bin Ladens will man die schwierigeren Nachrichten von der Lage in Afghanistan noch weniger lesen, Erfolgsgeschichten finden sich darunter ohnehin kaum.
So wird Obama versuchen, der amerikanischen Öffentlichkeit gegenüber den nun ein Jahrzehnt dauernden US-Militäreinsatz in Afghanistan irgendwie als Erfolg darzustellen und ihr ein Zeichen dafür zu geben, dass man den Einsatz nun beenden werde - und zugleich alle Optionen in der Hand behalten.
Die fünf Provinzen, für welche die afghanische Regierung ab 20. Juli die Verantwortung übernimmt, gelten laut Nachrichtenagenturen zumindest in Teilen als eher friedlich.
Das große Argument für den Abzug, das die Präsenz ausländischer Truppen selbst vor allem für die Spannungen im Land und das Chaos verantwortlich sind, hat sich mittlerweile auch in Kreisen Gehör verschafft, die nicht zum Kern der Kritiker gehören, die der Operation Endurung Freedom von Anfang an sehr misstrauisch gegenüberstanden. Doch wie wird die Gewichtung dieses Arguments ausfallen, wenn die Taliban mit neuen Offensiven afghanische Sicherheitstruppen attackieren, deren Ausbildungsstand und Fähigkeiten immer wieder Anlass zu Kritik gegeben hat? /TextQuelle Thomas Pany 22.06.2011http://www.heise.de/tp/artikel/34/34984/1.html
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