Donnerstag, 16. Juni 2011

Straßenschlachten in Athen, Regierung vor Umbildung

Keine Einigung zur Griechenland-Nothilfe 2.0 / Ralf Streck 15.06.2011
Die Ratingagenturen wollen mit massiven Drohungen jede Beteiligung der Banken verhindern
Mit einem Paukenschlag hatte sich die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) vor der Krisensitzung zur Griechenland-Nothilfe am Dienstag in Brüssel bemerkbar gemacht. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde auf "CCC" herabgestuft, die schlechteste Bonitätsnote weltweit. Nun trommeln die Ratingagenturen sogar mit massiven Drohungen gegen eine freiwillige Beteiligung privater Finanzinstitute an der Nothilfe 2.0, wie sie die Bundesregierung fordert. Das würde als Kreditausfall bewertet werden und könne verheerende Folgen für
andere Wackelkandidaten wie Irland, Portugal und Spanien haben. Nachdem die EU schon zugelassen hat, dass Portugal regelrecht abgeschossen wurde Mit dem Absturz Portugals drängt die Euro-Krise auf Tagesordnung des EU-Gipfels, kommt nun Spanien immer stärker unter Druck.
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Weil die Meinungen in der EU weit auseinander gehen, kam es in Brüssel zu keiner Einigung, um die Refinanzierung Griechenlands länger als ein Jahr zu sichern, damit der Internationale Währungsfonds (IWF) die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem ersten Nothilfepaket über 110 Milliarden Euro nicht blockiert (Griechenland-Zirkus auf neuer Bühne). Hier fällt der Bundesregierung auf die Füße, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einst gegen alle Widerstände den IWF in die Nothilfe einbinden musste. So treffen sogar die weichen Forderungen in Berlin auf Widerstand in der EU-Kommission, in Frankreich und in der Europäischen Zentralbank (EZB). Am Freitag wird deshalb Merkel beim Gipfel mit Nicolas Sarkozy in Berlin versuchen, Frankreich auf die Berliner-Linie einzuschwören.
Die Vorstellungen von Schäuble stoßen vor allem in der EZB auf massive Kritik. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärte, man könne im Fall eines von den Ratingagenturen bescheinigten Zahlungsausfalls griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Kredite an Geschäftsbanken akzeptieren. Damit wären die Griechen von der Finanzierung abgeschnitten. Sie hängen längst am Tropf der EZB, weil andere Banken ihnen kein Geld mehr leihen. Auch der designierte Nachfolger Mario Draghi hat sich am Dienstag im EU-Parlament gegen die geforderte weiche Umschuldung ausgesprochen.
Ganzer Artikel: http://www.heise.de/tp/artikel/34/34944/1.html





Ein „Geheimtreffen", das schnell bekannt wurde. Ein „Geheimtreffen", dessen Existenz dementiert wurde. Ein „Geheimtreffen", an dessen Ende sich Staatsminister Jean Claude Juncker der Presse stellte.
Dazu das Gerücht, dass Griechenland aus der Eurozone austreten werde. Und, wie üblich, die Suche nach den Schuldigen überall anders als bei sich selbst. So geht das, wenn in Europa Währungspolitik als „Geheimpolitik" betrieben wird.
Der Euro ist in der vergangenen Woche wieder in Schwierigkeiten geraten. Und wieder war der Auslöser Griechenland. Das Land ist dermaßen überschuldet, dass es am freien Markt keine Refinanzierung mehr findet. Griechenland, so die Beobachter, gibt seinen Sparwillen auf, weil das Land ihn nicht mehr durchhalten kann. Die rein fiskalische Betrachtung des Schuldenabbaues hat das Wirtschaftswachstum eingeschränkt, damit die Steuereinnahmen gekürzt.
Hinzu kommt, dass Griechenland im kommenden Jahr bis zu 50 Milliarden Euro umfinanzieren muss. Derzeit glaubt niemand, dass das gelingen könne.
Der Euro hat unter dem „Geheimtreffen einiger Finanzminister in Luxemburg gelitten. Er verlor gut zwei Cent. Nun schadet das der Währung nicht unbedingt, der Euro war gegenüber dem Dollar deutlich überbewertet. Nicht etwa, weil es dem Euro so gut ging, sondern weil der Dollar wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der USA immer deutlicher unterbewertet wurde und der Euro deswegen immer stärker wurde.
Wenn nun der Euro innerhalb weniger Tage auf 1,43 Dollar fiel, dann ist das für die Gemeinschaftswährung keine Katastrophe. Sie ist damit immer noch stark.
Eine Katastrophe aber ist das Verhalten der europäischen Finanzminister, die erneut das Verhalten der Märkte nicht verstehen. Die Märkte kitzeln zwar den Euro, machen in Wirklichkeit aber den europäischen Staaten klar, dass sie nicht mehr an Griechenland glauben, komme, was da wolle.
Die Staaten befinden sich nun im Konflikt mit sich selbst. Die wiederholte Zusicherung, dass man Griechenland helfen werde, hat politisch die Eurozone in eine Währungs-Solidaritätszone umgewandelt. Im Rahmen dieser Solidarität kauft die Europäische Zentralbank von Privatbanken Griechenland-Obligationen an und tut so, als ob diese Papiere gute Papiere wären. Das ist eine Verletzung ihres Prinzips, nur Papiere bester Qualität anzukaufen. Der ehemalige Bundesbankpräsident Weber hatte sich dagegen ausgesprochen und war in der Europäischen Zentralbank isoliert. Die Zwickmühle, in der die Bank mit ihrem Bestand von 73 Milliarden Euro Schrottpapieren nun steckt, gibt ihm nachträglich Recht. Und es sieht nicht so aus, als ob sein Nachfolger Weidemann einen anderen Kurs fahren würde.
Trotz der Aktion der Europäischen Zentralbank sollen sich in französischen Bank-Depots Griechenland-Papiere für 100 Milliarden und in den Depots deutscher Banken Griechenland-Papiere in Höhe von 43 Milliarden Euro befinden.
Die Euro-Staaten befinden sich daher in einem vielfachen Dilemma. Eigentlich müsste man Griechenland in den Konkurs gehen lassen, oder man müsste einen Kapitalschnitt von möglicherweise bis zu 50 Prozent und mehr machen. Man kann die Schulden auch ganz langfristig umstrukturieren. Alle diese Möglichkeiten würden dazu führen, dass die Banken in allen Ländern der Eurozone, inklusive Luxemburg, Neubewertungen der Bestände vornehmen und -- je nach Situation -- erhebliche Abschreibungen erfolgen müssten. Es könnte sogar sein, dass Banken vereinzelt in den Konkurs gehen würden. Und auch die Europäische Zentralbank, die die Schrottpapiere Griechenlands aufgekauft hat, müsste Abschreibungen vornehmen und würde Verlust schreiben, den die Eurostaaten ausgleichen müssten. Wundert es also, dass die Europäische Zentralbank und eine Reihe von Euro-Staaten sich dem Gedanken des Kapitalschnittes und ähnlicher Maßnahmen widersetzen?
Weiterlesen: http://www.tageblatt.lu/nachrichten/story/Griechenland-und-die-Folgen-12873785



Kann man tatsächlich so naiv sein zu glauben, dass man über diese Ausweitung der Verschuldung Griechenland stabilisieren kann? Hier drängt sich ein Vergleich auf. Ist die Bundesregierung nicht kürzlich mit einer Laufzeitverlängerung an die Wand gefahren? Braucht es nach den SuperGaus in Fukushima auch die befürchtete Kernschmelze an den Finanzmärkten, die sogar im IWF einige schon befürchten, bevor man in Berlin auch in der Finanzpolitik einen vernünftigeren Weg einschlägt?
Dass man an eine Stabilisierung über die massive Ausweitung einer ohnehin extremen Staatverschuldung glaubt, ist unwahrscheinlich. Sonst hätte die Bundesregierung kaum zu Hause eine Schuldenbremse eingezogen. Die extreme Verschuldung Griechenlands frisst aber schon jetzt einen immer größeren Anteil der Steuereinnahmen auf. Daran ändert nichts, dass man den Zinssatz für die Nothilfe immer weiter absenkt, wie es nun ein weiteres Mal in Aussicht gestellt wurde. Die Staatsverschuldung steigt nicht nur nominal immer gefährlicher an, sondern sie explodiert angesichts der schrumpfenden Wirtschaftsleistung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) regelrecht. War das Land mit fast 300 Milliarden Euro 2009 im Verhältnis zum BIP mit gut 127% verschuldet, waren es 2010 mit fast 329 Milliarden schon fast 143%.
Schäuble kann nicht so naiv sein, um zu glauben, dass nun 60, 70 oder sogar neue 100 Milliarden ausreichen, um die Finanzierung des Landes bis 2014 zu sichern, wenn 110 Milliarden in einem Jahr nicht ausgereicht haben. Wenn man die neue Nothilfe mit neuen Sparmaßnahmen versieht, wird das passieren, was schon 2010 passiert ist. Das Land wird noch tiefer in die Rezession gespart. Die Wirtschaftsleistung Griechenlands ist im ersten Quartal 2010 um 4,8% gegenüber dem Vorjahresquartal geschrumpft. Im vierten Quartal 2010 waren es sogar 7,4% gegenüber dem Vorjahresquartal.
Eine derart tiefe Rezession bedeutet hohe Sozialkosten und Steuerausfälle, die noch zu der weiter steigenden Zinslast hinzukommen. Immer stärker muss gespart werden, um das Haushaltsdefizit ein wenig zu verringern. Das frisst immer stärker an der Substanz und manche sprechen deshalb auch schon von Depression. Die Kritik an diesem absurden Sparkurs wird deshalb immer stärker. Gerade hatte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz prognostiziert, dass die allgemeine Sparpolitik neben Europa auch den USA die Stagnation bescheren wird. Er hat auch auf den Punkt gebracht, dass sich hinter der Nothilfe für Griechenland, Irland und Portugal nur eine neue Bankenrettung verbirgt.
Mit immer schärferen Sparmaßnahmen wird man die Lage in Griechenland nur verschlimmern. Finanzexperten wollen deshalb nun ihre Schrumpfungsprognosen für Griechenland nach unten korrigieren. Bislang wurde allseits davon ausgegangen, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr weitere 3% schrumpfen werde. Doch das für die neuen Finanzhilfen angekündigte Sparpaket werde Griechenland 2011 weitere "1,4 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum kosten", rechnete James Nixon, Ökonom bei der Société Générale (SG) in London vor. Damit würde die Wirtschaftsleistung ähnlich stark wie im Katastrophenjahr 2010 einbrechen. Weil auch andere Finanzexperten den Crash-Kurs mit Sorge sehen, resümiert die Financial Times Deutschland: "Mit der Ankündigung der zusätzlichen Einsparungen wird deutlich, dass der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission nicht die Lehren aus dem heftigen Austeritätsprogramm im vergangenen Jahr gezogen haben."
So könnte es eine Warnung sein, dass neben Griechenland auch Portugal und sogar Dänemark wieder zurück in der Rezession sind. Bei Irland darf man es ebenso vermuten, um von der drittgrößten Einzelökonomie Japan nicht zu sprechen. Italien und Spanien sind schon auf dem Weg dahin und Spanien wird man mit dem Austeritätskurs nicht nur in die Rezession sondern auch noch unter den Rettungsschirm sparen. Man fragt sich angesichts der miesen Konjunkturdaten aus den USA auch, wem der Exportweltmeister Deutschland bald seine Waren verkaufen will.
Ganzer Artikel: http://www.heise.de/tp/artikel/34/34913/1.html




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